

Die Welt zu Gast am Pragser Wildsee
Eine Zeitreise durch die Geschichte des Grandhotels „Pragser Wildsee“
Das Hotel am schönsten See der Dolomiten kann auf 125 Jahre seines Bestehens zurückblicken. In seiner langen Ge schichte erlebte das Grandhotel glückliche und schwere Zeiten.
Das Haus entstand als klassisches „Alpenhotel I. Ranges in Tirol“ – wie die Hotels „Sulden“, „Karersee“ und „Trafoi“ – im ausgehenden 19. Jahrhundert. Es befindet sich noch immer im Besitz der Familie, die das Hotel erbaut hat. Das denkmal geschütze Haus ist das einzige Bauwerk aus der großen Zeit des Alpenhotelgründers Theodor Christomannos, das bis heu te weitgehend unverändert geblieben ist und das nach wie vor seinem ursprünglichen Zweck dient.
Eine hohe Ehrung erfuhr das Grandhotel in jüngster Zeit
mit der Verleihung des Titels „Historischer Gastbetrieb des Jahres 2013“ durch die „Stiftung Südtiroler Sparkasse“.
1 | Blick auf das Hotel „Pragser Wildsee“.
2 | Aussicht aus dem Hotel auf den Pragser Wildsee.
3 | Heidi und Caroline
- Heiss (rechts ) mit der Auszeichnung für das Hotel.
4 | Der Pragser Wildsee mit der mächtigen Kulisse des Seekofel.
Die Erschließung des Pragser Wildsee für den Fremdenverkehr
Joseph Hellensteiner, Wirt des „Gasthauses zum Schwarzen Adler“ in Niederdorf und Ehemann der später berühmten „Frau Emma“, erwarb am 22. Februar 1856 den Pragser Wildsee.
Doch erst sein ältester Sohn Eduard begann damit, den See für den Fremdenverkehr zu erschließen. Im Jahre 1893 ließ er auf eigene Kosten einen unbefestigten Weg dorthin zur Straße ausbauen. Diese zog nun schnell Ausflügler mit ihren Zwei spännern in großer Zahl an.
Das Ziel vieler Gäste war aber auch das kleine „Seehotel“, das ebenfalls Eduard Hellenstainer als ersten Gastbetrieb am Ufer des Pragser Wildsee errichten ließ.
1 | „Gasthaus zum Schwarzen Adler“ in Niederdorf.
2 | Emma Hellensteiner, die berühmteste Wirtin Tirols.
3 | Eduard Hellenstainer, der Erbauer des Hotels.
4 | Niederdorf im Hochpustertal auf einer alten Ansicht.
Der Bau des Grandhotels „Pragser Wildsee“
Den Anstoß zum Bau des Grandhotels „Pragser Wildsee“ gab die schon genannte Emma Hellensteiner, die weit über die Grenzen Tirols bekannte Wirtin des „Gasthauses zum Schwarzen Adler“ in Niederdorf. Schon seit langem trug sie sich mit dem Gedanken, am Pragser Wildsee einen noblen Beherbergungsbetrieb zu errichten.
Ihr Sohn Eduard beauftragte auf Wunsch der Mutter im Jahre 1898 den angesehenen Wiener Architekten Otto Schmid mit der Planung des Hotels. Dieser hatte sich bereits als Mitstreiter von Christomannos mit der Errichtung der Grandhotels „Sul den“ und „Trafoi“ in Südtirol einen Namen gemacht.
Das Hotel „Pragser Wildsee“, ausgestattet mit dem modernsten Komfort seiner Zeit, wurde am 9. Juli 1899 eröffnet.
1 | Das Hotel in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
2 | Architekt Otto Schmid.
3 | Prospekt zur Eröffnung des Hotels.
4 | Das Hotel mit der „Villa Edelweiß“ im Vordergrund.
Der österreichisch-ungarische Thronfolger zu Gast in Prags
An der Finanzierung des anspruchsvollen Hotelbaus am Pragser Wildsee beteiligte sich der damals reichste Biermagnat Europas, Anton Dreher jun., aus Schwechat bei Wien. Seine Brauerei braute das erste helle, untergärige „Lagerbier“.
Das Hotel „Pragser Wildsee“ erfreute sich von Anfang an größter Beliebtheit und war vom ersten Tag an ausgebucht. So mussten schon bald Erweiterungen des Hauses ins Auge gefasst werden. Seine Gäste reisten von weit her an.
Auch das Kaiserhaus in Wien wurde auf das Hotel aufmerksam. Im Jahre 1908 erschien die Lieblingstochter der Kaiserin Elisabeth (Sissi), Erzherzogin Marie Valerie, mit ihrer Familie am Pragser Wildsee. Zwei Jahre darauf folgte ihr im Sommer 1910 der österreichisch-ungarische Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreichisch-Este und Artstetten, mit seiner Frau und mit den drei Kindern. Er blieb, begeistert vom Ort,
länger als ursprünglich geplant.
1 | Anton Dreher jun.
2 | Die Marienkapelle des Hotels „Pragser Wildsee“.
3 | Erzherzogin Marie Valerie mit ihrem Ehemann (oben).
4 | Der österreichisch-ungarische Thronfolger mit seiner Familie.
5 | Das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo.
Das Hotel als Ort der Zuflucht für die befreiten Geiseln der SS
Die Geschichte des Hotels ist auch untrennbar verbunden mit dem Schicksal der Familie von Claus Schenk Graf von Stauf fenberg, der am 20. Juli 1944 das Attentat auf Adolf Hitler verübt hat. Die Angehörigen des Widerstandskämpfers gegen das NS-Regime wurden nach dem gescheiterten Umsturzversuch in Berlin mit den Familien der Mitverschwörer in Sippenhaft genommen.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges verschleppte die SS die „Sippenhäftlinge“ zusammen mit prominenten „Sonderhäftlingen“ als Geiseln nach Südtirol in die sogenannte Alpenfestung. Dort sollten die 139 Gefangenen aus 17 Ländern Europas dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes, SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, für Verhandlungen mit den Westalliier ten zur Verfügung stehen.
Doch das Vorhaben scheiterte. Am 30. April 1945 wurden die Häftlinge in Niederdorf von der Deutschen Wehrmacht aus der Ge walt der SS befreit und noch am selben Tag ins Hotel „Pragser Wildsee“ gebracht, wo sie in Sicherheit waren. Mit der Aufnahme der SS-Geiseln in ihr Haus ermöglichte Emma Heiss-Hellenstainer den Häftlingen die Rückkehr ins Leben.
Die Befreiten aus den verschiedensten Nationen Europas fanden hier in ihrer Gemeinschaft erstmals zu einem vereinten Europa zusammen, in dem Frieden herrschte und gegenseitige Wertschätzung galt. Das war bisher einzigartig in der Ge schichte des Kontinents.
1 | Die befreiten Geiseln der SS vor dem Hotel.
2 | Emma Heiss-Hellenstainer.
3 | Ein Bild der Befreiten, das um die Welt ging.
4 | Claus Schenk Graf von Stauffenberg (mit Zigarette).
5 | Isa Vermehren (rechts) mit Gisela Gräfin von Plettenberg und deren Vater.
6 | Das Hotel am Ende des Zweiten Weltkrieges.
„Rom am Pragser Wildsee“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel „Pragser Wildsee“ für den Fremdenverkehr wieder geöffnet. Die Leitung des Hauses lag weiter in den Händen von Therese Hellenstainer, die schon vor dem Krieg mit Direktor Paul Berger das Hotel mit großem Erfolg geführt hatte.
Berger war es auch, der im Jahre 1929 die Vergrößerung des Hotels und den Bau des vorderen, dritten Flügels veranlasste. Dem dritten Erweiterungsbau in der Geschichte des Hauses fiel die „Villa Edelweiß“ zum Opfer, die bisher den Platz an der Seite des Hotels eingenommen hatte.
Therese Hellenstainer übertrug im Jahre 1958 die Direktion des Betriebes ihrem Neffen Josef Heiss, der an die Stelle des in den Ruhestand gehenden Berger trat. Mit ihm erlebte das Hotelunternehmen, das bald in seinen Besitz überging, eine neue Blütezeit.
Heiss erkannte, dass sich der Fremdenverkehr gewandelt hatte, und zog aus dem Massentourismus, der nun auch den Pragser Wildsee erreichte, die richtigen Konsequenzen. Die neue Bergstraße führte Autofahrer und Tagesausflügler mit Omnibussen in großer Zahl an den See.
Unter der Führung von Josef Heiss gewann das Hotel auch als Treffpunkt namhafter Politiker und Journalisten aus Rom so sehr an Bedeutung, dass man bald vom „Rom am Pragser Wildsee“ sprach. Zu den Gästen zählten der einflussreiche Jour nalist Emilio Frattarelli und der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti.
Am 25. Februar 1985 starb Josef Heiss. Nach dem Tode ihres Ehemannes übernahm Heidi Heiss die Leitung des Hauses und führte das Hotel weiter. Heute ist ihre Tochter Caroline M. Heiss die Chefin des Betriebes.
Konzept und Text:
Hans-Günter Richardi.
Grafische Gestaltung:
Uschi Vierheller
1 | Therese Hellensteiner als stolze Autobesitzerin.
2 | Josef Heiss.
3 | Heidi Heiss mit dem Hollywood-Star Anthony Quinn (im Vordergrund).
4 | Der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti (Mitte) mit Bruno Heiss, Sohn der Heidi Heiss (rechts). 5 | Caroline M. Heiss mit dem deutschen Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger.
6 | In Erwartung der Gäste: das Personal des Hotels in früheren Jahren.